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E-Commerce in China: Mobile Shopping als Lebenseinstellung

von Claus

Smartphone anstatt PC, Shoppen im Umfeld von Social Media und kulturell geprägte Ansprüche an Produkte: Chinesische Konsumenten haben andere Gewohnheiten und Vorlieben als Verbraucher in der westlichen Welt. Deutschen Unternehmen, die sich auf dem weltweit größten E-Commerce-Markt etablieren möchten, sollten lokale Besonderheiten kennen und diese berücksichtigen. Unerlässlich ist auch Insiderwissen darüber, wie Online-Handel in einem Land funktioniert, in dem andere große Internetfirmen und Marktplätze dominieren und Kanäle zusehends miteinander verschmelzen.

Mit dem Smartphone in der Hand ins Shoppingvergnügen – dieses Bild trifft auf kaum eine Nation besser zu, als auf die Volksrepublik China. Mehr als 800 Millionen der fast 1,4 Milliarden Chinesen nutzen täglich das Internet, doch kaum einer von ihnen sitzt dafür am PC. 98 Prozent der Nutzer sind mobile Internetuser und viele von ihnen teilen eine Leidenschaft: Online-Shopping. Via Smartphone erobern sie die Angebote der großen Internetunternehmen und verschaffen sich darüber auch Zugang zu begehrten westlichen Produkten. Experten sagen, dass bis zum Jahr 2020 74 Prozent der E-Commerce Käufe mit dem Smartphone getätigt werden. Bereits heute kauft die Mehrheit der Chinesen online. Der E-Commerce Umsatz im Einzelhandel lag im vierten Quartal von 2018 bei mehr als 226.38 Milliarden US-Dollar, was einem Wachstum von rund 28 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht.

Das Potenzial des Online-Handels in China ist nach wie vor riesig; auch immer mehr deutsche Unternehmen wollen davon profitieren. Den meisten von ihnen ist klar: Der Einstieg in das China-Geschäft nimmt viel Energie und Zeit in Anspruch, die Aussichten sind trotz der aktuellen gesamtwirtschaftlichen Abkühlung aber nach wie vor äußerst vielversprechend.

Führende Shopping-Plattformen und Marktplätze

Amazon, Google und Apple haben in China nur wenig zu sagen und zahlreiche Social-Media-Kanäle aus der westlichen Welt wie Facebook, WhatsApp oder Twitter sind im Reich der Mitte seit Jahren gesperrt. Im Westen gewonnene Erfahrungen im Umgang mit Plattformen und Kundenkommunikation lassen sich daher nur bedingt anwenden.

Dominierende Größen in Chinas Cross-Border E-Commerce sind Alibaba, JD.com (Jingdong) und Tencent, sie haben bereits vor einigen Jahren Plattformen für den nationalen und internationalen Online-Handel eröffnet. Tmall und JD.com gelten als die größten Umsatztreiber: Gemeinsam deckten sie im vierten Quartal des Jahres 2018 rund 85 Prozent des E-Commerce-Marktes ab. Wie wichtig neben der Kenntnis bestehender Marktplätze eine ständige Marktbeobachtung ist, zeigt sich an dem rasanten Wachstum des Marktanteils von Pinduoduo. Chinas neue Einkaufsplattform mit bereits monatlich 200 Millionen Usern steht beispielhaft für den Trend, E-Commerce mit Social Media zu verknüpfen. Produkte werden wie in einem Newsfeed präsentiert, die über andere soziale Netzwerke verbreitet werden. Umgekehrt erreichen Nutzer Pinduoduo über die WeChat-App.

WeChat – viel mehr als „nur“ eine App

Wer chinesische Kunden für sich gewinnen möchte, kommt also auch an WeChat nicht vorbei. Hier werden verschiedene Funktionen und Aktivitäten zusammengeführt, für die außerhalb Chinas noch verschiedene Apps genutzt werden. Über die Service-Plattform können Nutzer nicht nur chatten, Sprachnachrichten verschicken, Fotos und Videos in ihren „Moments“ teilen, sondern zum Beispiel auch Taxis bestellen, Rechnungen zahlen oder im Supermarkt einkaufen. Auf WeChat laufen die Kommunikations-und Verkaufskanäle zusammen: Mit sogenannten Mini-Programmen bietet die Multi-Touchpoint-Anwendung Unternehmen kreative Ansätze, um mit Kunden in Kontakt zu treten und sie an Marken zu binden. Auch Sina Weibo, das chinesische Twitter, ist nach wie vor eines der zentralen Kommunikationsmittel.

Ineinandergreifen von Online- und Offline-Welt

Chinesen begegnen der zunehmenden Verschmelzung der digitalen und realen Einkaufswelt offen und souverän. Schon heute besuchen sie vernetzte Ladengeschäfte der Alibaba-Kette Hema, scannen Produkte mit QR-Codes, um zusätzliche Informationen über Waren zu erhalten, die sie vor Ort sehen und zahlen bargeldlos. Wie bereits erfolgreich bei der eigenen Einzelhandelskette umgesetzt, möchte Alibaba auch in die Filialnetze anderer Einzelhändler wie Metro China investieren. Das Ziel Alibabas ist es, den herkömmlichen Einzelhandel zu revolutionieren und mit Online-Angeboten sowie dem Bezahlsystem Alipay zu verbinden. Das Ineinandergreifen von Kanälen und die damit verbundene Verknüpfung von E-Commerce und Social Media streben auch andere Plattformen an – für die westliche Welt ist diese Entwicklung wegweisend.

Bargeldlos zahlen und digital Geld verschenken

Bargeld verliert in China insgesamt an Relevanz. Noch vor zehn Jahren sahen chinesische Konsumenten Online-Bezahlsysteme weitgehend kritisch und befürchteten Sicherheitslücken. Dies hat sich mit Alipay und WeChat Pay rapide geändert. Für deutsche Händler empfiehlt sich deshalb die Integration dieser Online-Bezahlfunktionen in das eigene Angebot.

Passend zur Emanzipation vom Bargeld hat Tencent vor einigen Jahren einen neuen Megatrend erdacht: digitale Hongbao. Kurz zum Hintergrund: In China werden während des Neujahrsfestes und zu anderen Anlässen rote, mit Geld gefüllte Umschläge an Verwandte und Freunde verteilt. Diese Tradition machen sich längst auch andere Internetgiganten wie Alibaba, Baidu und Sina Weibo zu Nutze. Kunden erhalten so eine Vielzahl von Angeboten, um digitale Geldumschläge über das Smartphone zu verschicken und zu empfangen. Zum Chinesisch Neujahr 2019 wurden allein über WeChat 823 Millionen Hongbaos verschickt und empfangen – sieben Prozent mehr als im Vorjahr.

Produkte an chinesischen Geschmack anpassen

Chinesische Vorlieben und Gewohnheiten einzubeziehen ist auch in Bezug auf die Markeneinführung und Produktstrategie sinnvoll. Selbst große westliche Unternehmen können eine Markenbekanntheit in China nicht voraussetzen. Deutsche Produkte und deutsches Design genießen in China und Asien zwar ein besonders hohes Ansehen, sie stehen für Qualität und Innovation. Eine Garantie für den Markterfolg ist das allein nicht. Ein Produkt muss preislich und qualitativ attraktiv sein – und dem Konsumenten ins Auge fallen. Unternehmen sind vor die Aufgabe gestellt, ihre Ware an den chinesischen Geschmack anzupassen. Das beginnt bereits bei der Übersetzung des Markennamens: Der chinesische Markenname sollte ähnlich wie der deutsche klingen und bei Konsumenten bestimmte Assoziationen wecken. Ein Verkaufsargument kann auch die Verpackung selbst sein, denn in China haben Geschenke Tradition. Chinesen verschenken gerne Dinge mit hochwertiger Optik. Dabei spielen Farben wie Rot und Gold eine wichtige Rolle. Beliebt sind daher kombinierte Verpackungen, also Geschenksets.

Expertise aus erster Hand nutzen

Ein Markteinstieg in China beinhaltet viele komplexe Fragen – und reicht von der Präsenz auf Online-Marktplätzen bis hin zu einer umfassenden Markeneinführung. Unternehmen sind gut beraten, sich frühzeitig mit Zielen und Herausforderungen auseinanderzusetzen und zu prüfen, in welchen Bereichen eine externe Unterstützung sinnvoll ist. Erfahrene Dienstleister können dabei helfen, die Stationen auf dem Weg zum Markteintritt zu meistern und sollten lokale Ansprüche mit den Erwartungen deutscher Unternehmen zusammenbringen.

 

 

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