Home Insights Verzollung: Mangelndes Wissen hemmt Einsparpotential
Unsplash/Kelly Sikkema

Verzollung: Mangelndes Wissen hemmt Einsparpotential

von Claus

An der Verzollung von Zulieferteilen und Waren führt für Hersteller und Händler kein Weg vorbei. Mit dem nötigen Know-how können Unternehmen jedoch Einsparpotential generieren und bares Geld sparen. Ein Zollexperte erklärt, was international tätige Unternehmen beachten sollten und welche Zollverfahren Hersteller und Produzenten finanziell entlasten.

Zu einer optimierten Supply Chain gehört auch die Überprüfung der angewandten Zollverfahren auf eventuelles Einsparpotential. Allzu oft ziehen Unternehmen diese Möglichkeit aus Unwissenheit und wegen fehlender Fachkenntnis jedoch nicht in Betracht, weiß Thomas Gau, Head of Customs Solutions bei Hermes International, einem Geschäftsbereich von Hermes Germany.

Wir sprachen mit dem Zollexperten darüber, wie Hersteller beim Import von Zulieferteilen mit dem sogenannten “Umwandlungsverfahren” bares Geld sparen, was Händler bei ihrer Internationalisierung zollrechtlich beachten sollten und welche Auswirkungen der Brexit haben wird.

 

Supply-Chain-Experte-Thomas-Gau

Thomas Gau, Head of Customs Solutions bei Hermes International

Herr Gau, was sind die häufigsten Fragen bzw. Problemstellungen mit denen Kunden auf Sie zukommen?

Viele Unternehmen fragen sich, ob ihnen für die anstehenden Zoll-Aufgaben ausreichendes internes Know-how zur Verfügung steht, die Verzollung sauber und kostensensitiv zu realisieren. Einige unserer Kunden haben jedoch auch sehr konkrete Fragestellungen. So unterstützen wir Kunden ganz gezielt, z.B. bei der Vorbereitung auf eine Zollaußenprüfung.

Die Digitalisierung macht darüber hinaus auch vor der Verzollung keinen Halt und Unternehmen fragen sich zunehmend, ob sie eine eigene Zollsoftware benötigen oder ob Dienstleister, wie wir von Hermes International, mit Hilfe von Schnittstellen zu einem vorhandenen System unterstützen können.

Gerade für Hersteller und Produzenten, die Zulieferteile aus dem Drittland importieren, gibt es verschiedene Zollverfahren, um die Kosten zu minimieren. Aus Ihrer Praxis berichten Sie, dass diese nur selten angewandt und die Möglichkeiten kaum ausgenutzt werden. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Viele Unternehmen haben schlicht nicht das Know-how, um dieses Einsparpotential für sich zu identifizieren. Das Thema Verzollung wird darüber hinaus nicht als Feld zum Einsparen von Kosten wahrgenommen.

Grundsätzlich prüfen wir im Rahmen unseres „Hermes 360°Checks“ genau, wo es Wissenslücken oder Optimierungspotential gibt und unterstützen im Anschluss sehr individuell z.B. mit Mitarbeiterschulungen, der Erstellung von Zolldokumenten oder der Einführung kostensparender Zollverfahren.

In der Praxis gestaltet sich auch die Umsetzung als schwierig, da die Implementierung neuer Verfahren zunächst mehr Zeitaufwand bedeutet. Für Sachbearbeiter, die zeitlich bereits eng eingebunden sind, ist das nur schwer abzubilden. Wenn wir die Möglichkeit haben, die Managementebene von Unternehmen mit ins Boot zu holen, fällt die Implementierung von neuen und geldsparenden Lösungen häufig leichter. Dann bekommt die Einführung neuer Prozesse eine andere Wertigkeit und die zeitlichen Ressourcen werden eher zur Verfügung gestellt.

Welche Verfahren gibt es konkret und für wen sind sie besonders interessant?

Ein sehr effektives Zollverfahren ist zum Beispiel das sogenannte Umwandlungsverfahren. Dabei handelt es sich um eine Sonderregelung für Importzölle, die im neuen Unionszollkodex verankert ist. So können importierte Einzelteile per Umwandlungsverfahren von Zollabgaben befreit werden, wenn das Endprodukt in Deutschland fertiggestellt und von dort aus in den freien Verkehr der EU übergeben wird.

Das Verfahren rechnet sich in erster Linie für Hersteller in Deutschland, die zollpflichtige Einzelkomponenten aus Drittländern importieren und daraus auf deutschem Boden Halb- oder Fertigerzeugnisse produzieren.

Immer mehr Unternehmen möchten sich breiter aufstellen und auch im Ausland aktiv werden. Was raten Sie Kunden, die ihr Geschäft internationalisieren und künftig z.B. in den USA verkaufen möchten. Worauf müssen Sie beim Export besonders achten?

Um die Kosten im Blick zu behalten und etwaige Überraschungen zu vermeiden, gilt es zunächst nach der korrekten Einreihung von Waren in den Zolltarif zu suchen. Hier kommen die landesspezifischen Vorschriften (Tarife) zum Tragen, welche stark variieren können. Weiterhin sind Präferenzabkommen zwischen den handelnden und liefernden Ländern zu berücksichtigen. Besteht ein Präferenzabkommen mit dem Empfangsland, können massive Einsparungen die Folge sein.

Das Gegenteil ist der Fall, wenn zusätzlich zum Drittlandzoll auch noch Strafzölle zur Anwendung kommen.

Wichtig ist auch die richtige Wahl der Lieferklausel (Incoterm). Verlangt der Käufer z.B. ein DDP („Delivered Duty Paid“), müssen sämtliche Kosten inklusive der Einfuhrabgaben im Empfangsland mit in den Verkaufspreis einkalkuliert werden.

Wie unterstützt Hermes International seine Kunden bei der Zollabwicklung – sowohl im Bereich Internationalisierung als auch beim Import?

Wir realisieren für unsere Kunden auf Wunsch sämtliche Zollabfertigungsvarianten an. Dazu gehört, dass wir jeweils die sendungsrelevanten Daten in die entsprechende Zollanmeldung eingeben. Das manuelle eingeben dieser Daten in unsere Zoll-Software verliert dabei mehr und mehr an Bedeutung. In der Regel nutzen wir die des Kunden aus dessen ERP-System, welche via Fremdschnittstelle direkt an unsere Systeme übermittelt werden.

Kommen wir zur abschließenden Frage: Der Brexit steht. Damit einher gehen auch zollrechtliche Veränderungen. Können Sie bereits absehen, was der Brexit dahingehend für deutsche Unternehmen bedeuten wird?

Vereinfacht gesagt, bekommen wir aus zollrechtlicher Sicht ein weiteres Drittland hinzu. Nach Ablauf der Übergangsphase, also ab dem 01.01.2021, werden dann Aus- und Einfuhranmeldungen, unabhängig von etwaigen geschlossenen Handelsabkommen (z.B. Zollunion) zur Pflicht. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch, dass kein präferenzieller Ursprung mehr für Waren aus Großbritannien möglich ist.

Für deutsche Unternehmen mit bereits bestehendem Drittlands Bezug wird sich nicht viel ändern. Da die Abläufe bereits bekannt sind. Für Unternehmen die aktuell nur einen Intrahandel zwischen EU-Ländern betreiben, kommt es jedoch zu massiven Umstellungen: Hier gilt es sich zunächst mit einer EORI registrieren zu lassen, damit elektronische Zollanmeldungen überhaupt möglich sind. Der Einführer/Ausführer selbst kann dann Zollanträge für die ankommenden oder auszuführenden Sendungen stellen oder sich hinsichtlich dessen durch Hermes Germany vertreten lassen.

Die größte Herausforderung sehen wir jedoch bei den Laufzeiten von bzw. nach Großbritannien. Ob die Zoll-Infrastruktur auf UK-Seite für zügige Zollantragstellungen ausreichend sein wird, wird sich zeigen.

Es gilt auch hier: Zeit ist Geld. Multi-Stopps und Verzögerungen durch die nötigen Zollverfahren werden dann unweigerlich zu Kostenerhöhungen im Ablauf des Warenaustauschs mit Großbritannien führen.

In unserem Whitepaper „Wirtschaftlich über Grenzen hinweg – Zollkosten systematisch senken“ stellen wir Ihnen verschiedene kostensparende Zollverfahren vor. Jetzt kostenfrei hier herunterladen.

Ähnliche Beiträge

Schreiben Sie einen Kommentar

* Wenn Sie dieses Formular nutzen, stimmen Sie unseren Datenschutzbestimmungen zu.