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Digitalisierung im Mittelstand: Wie fortschrittlich sind deutsche KMU?

Teil 1 unserer Beitragsreihe zur Digitalisierung kleiner und mittelständischer Unternehmen in Deutschland

von Editorial Office

Über alle Unternehmensgrößen hinweg wird sich die Wettbewerbsfähigkeit in den kommenden Jahren auch am Stand der Digitalisierung entscheiden. Ob Prozesseffizienz, Resilienz der Lieferkette oder Dekarbonisierung: eine grundlegende Transformation erfordert den Einsatz fortschrittlicher Methoden und Technologien. In unserer Beitragsreihe „Digitalisierung im Mittelstand“  möchten wir zeigen, wo kleine und mittlere Unternehmen stehen, welche Hemmnisse ihnen begegnen und wie sie diese Hürden überwinden können. Der erste Teil gibt anhand von Studienergebnissen Einblick in den derzeitigen Entwicklungsstand in deutschen KMU.

KMU als Rückgrat der deutschen Wirtschaft

Ohne die intensive Beteiligung kleiner und mittlerer Unternehmen kann die digitale Transformation der Wirtschaft nicht gelingen: Von den etwa 2,6 Millionen deutschen Unternehmen sind mehr als 99,4 Prozent KMU*. Sie stellen mehr als die Hälfte der Arbeitsplätze und erwirtschaften etwa ein Drittel aller Umsätze.

Einsatz digitaler Technologien: Deutschland im hinteren Drittel der EU

Im „Digital Economy and Society Index“ (DESI) der Europäischen Union ist Deutschland auf Rang 11 der insgesamt 27 EU-Länder zu finden. Hinsichtlich der Integration digitaler Technologien in der Wirtschaft rangiert Deutschland sogar nur auf Position 18 und belegt damit eine Platzierung an der Grenze zum letzten Drittel.

Digitalisierungsindex insgesamt gestiegen

Einblick in den Stand der Transformation gibt der „Digitalisierungsindex für die deutsche Wirtschaft“, seit 2020 ermittelt durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz. Im ersten Jahr der Messung stieg der durchschnittliche Wert von 100 auf 108 Punkte.

Zugrunde liegen 37 Indikatoren aufgeschlüsselt unter anderem nach Branchen und Beschäftigungsgrößenklassen. Untersucht werden interne Kriterien – wie zum Beispiel „Prozesse“ und „Produkte“ – sowie externe Kriterien – wie „Technische Infrastruktur“ und „Innovationslandschaft“.

Deutliche Unterschiede bei den Unternehmensgrößen

Zu den unternehmensinternen Indikatoren zählen zum Beispiel die Digitalisierung des Produkt- und Dienstleistungsportfolios oder der internen Arbeitsprozesse. Auch die Entwicklung oder Nutzung digitalisierter Geschäftsmodelle sowie der Erwerb digitaler Kompetenzen durch Aus- und Weiterbildung gehört in diese Kategorie.

Große Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten erreichen hier mit einem Gesamtwert von 205,2 einen mehr als doppelt so hohen Index wie kleine Unternehmen mit 10 bis 49 Beschäftigten (93,9) und einen etwa 1,7-mal so hohen Index wie mittlere Unternehmen mit 50 bis 249 Beschäftigten (119,4).

Kleine Unternehmen verbesserten sich um 4,7 Punkte – ein positives Anzeichen der fortschreitenden Digitalisierung. In mittleren Unternehmen ist dieser Indexwert dagegen um 6,5 Punkte gesunken.

KMU: Nachholbedarf bei digitalen Prozessen

Der stärkste Zuwachs zeigt sich bei der unternehmensinternen Kategorie „Prozesse“, die neben dem digitalen Reifegrad der Arbeitsabläufe auch den Stand der externen Vernetzung beschreibt. Diese ist zum Beispiel für höchstmögliche Transparenz  in der Lieferkette oder die Kontrolle der Scope-3-Emissionen notwendig.

Insgesamt ist der durchschnittliche Wert in dieser Kategorie über alle Größenklassen hinweg von 100 auf 121,1 Punkte gestiegen. Zugleich ist hier der Abstand zwischen KMU und großen Unternehmen besonders ausgeprägt. Kleine Unternehmen (10 bis 49 Beschäftigte) verzeichneten zwar einen Zuwachs von 96,5 auf 118,2 und mittlere (50 bis 249 Beschäftigte) konnten sich von 158,5 und 165,3 Punkte steigern – Große Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeiter*innen verzeichneten einen Anstieg von 200,3 auf 239,6 Punkte.

Digitale Intensität: Technologienutzung als Indikator

Ein aussagekräftiges Indiz für den Digitalisierungsstand eines Unternehmens ist der Grad der Nutzung grundlegender Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT). Die daraus resultierende digitale Intensität wird anhand von zwölf Indikatoren bestimmt, zu denen die Anwendung von CRM-Systemen, Cloud-Diensten, ERP-Software, Künstlicher Intelligenz (KI) sowie des Internets der Dinge (IoT) zählen.

Werden im „Digital Intensity Index“ mindestens 4 von 12 Punkten erreicht bzw. mindestens vier Technologien oder Anwendungen eingesetzt, liegt eine grundlegende (niedrige) Intensität vor.

KMU zeigen mehrheitlich niedrige Intensität

Die EU-Kommission hat 2021 mit dem „Digitalen Kompass“  ein klares Ziel definiert: bis 2030 sollen mehr als 90 Prozent der KMU zumindest eine grundlegende (niedrige) digitale Intensität erlangt haben.

Laut  Statistik des Instituts für Mittelstandsforschung (IFM) erreichen im gesamten Feld der KMU mit 10 bis 249 Mitarbeiter*innen 36 Prozent den Schwellenwert zu einer niedrigen Intensität, 46 Prozent bleiben darunter, 16 Prozent erreichen eine hohe und nur 2 von hundert eine sehr hohe.

Bei kleinen Unternehmen bis 49 Beschäftigte bleibt sogar knapp die Hälfte unter dem Grenzwert von 4 Punkten. Bei Großunternehmen dagegen trifft das lediglich auf jede zehnte Organisation zu.

Praxisbeispiele für die IKT-Nutzung

Seit 2020 legt die Eurostat Erhebung zur Nutzung von IKT in Unternehmen mit 10 oder mehr Beschäftigten den Digitalisierungsfortschritt in Deutschland dar. Ein Auszug aus den Ergebnissen von 2020/21:

Cloud-Services: In Deutschland liegt der Anteil der Unternehmen, die Cloud-Services nutzen, bei rund 42 Prozent und damit leicht oberhalb des EU-Durchschnitts von 41 Prozent. Dabei nutzen etwa die Hälfte der mittleren Unternehmen kostenpflichtige Cloud-Services, bei den großen Unternehmen sind es fast Dreiviertel.

Big Data Analysen: Insgesamt liegt der Anteil der Unternehmen, die Big Data Analysen anwenden, in Deutschland bei etwa 18 Prozent. Während bei mittleren Unternehmen bislang etwa jedes fünfte auf die Nutzung setzt, sind es bei großen Unternehmen bereits mehr als ein Drittel.

Künstliche Intelligenz: Zu Techniken der Künstlichen Intelligenz (KI) zählen zum Beispiel Maschinelles Lernen oder Robotik. Auch Methoden des Text Mining,  wie es zum Beispiel in Risk Management Software zum Einsatz kommt, gehören dazu. In Deutschland nutzen bisher lediglich 11 Prozent  der Unternehmen innovative KI-Technologien (EU 8 Prozent). Auch hier gibt es gravierende Unterschiede nach Größenklassen: Erst 9 bzw. 15 Prozent  der kleinen und mittleren Unternehmen setzen KI ein, bei großen Unternehmen sind es knapp ein Drittel.

KMU erst am Anfang der digitalen Transformation

Die Daten zeigen deutlich, dass kleine und mittlere Unternehmen bei der digitalen Transformation noch Aufholbedarf haben. Doch vor welchen Herausforderungen stehen KMU bei der Realisierung ihrer Digitalisierungsvorhaben? Die entscheidenden Hürden und wie Unternehmen sie überwinden können, behandeln wir in unserem nächsten Beitrag.

*Die Zugehörigkeit eines Unternehmens zum “Mittelstand” definiert sich in Deutschland nicht nach der Anzahl an Beschäftigten oder an der Umsatzhöhe, sondern durch die Einheit von Eigentum und Leitung. Da dieses qualitative Merkmal für statistische Analysen schwer operationalisierbar ist, wird für Studien und Erhebungen die KMU-Definition der EU-Kommission zugrunde gelegt. Zur Klasse der KMU gehören demnach Unternehmen mit einer Beschäftigtenanzahl von unter 250 UND einem Umsatz bis zu 50 Mio. Euro oder einer Bilanzsumme von bis zu 43 Mio. Euro.

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1 kommentieren

Julia 30. Januar 2024 - 19:01

Spannender Beitrag über Digitalisierung im Mittelstand! Es ist beeindruckend zu sehen, wie kleine und mittlere Unternehmen den digitalen Wandel annehmen, auch wenn es da noch viel zu tun gibt. In meinem Bereich, der automatisierten Montage von Kunststoffartikeln, sehen wir auch, wie wichtig die Digitalisierung für die Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit ist. Denkt ihr, dass eine stärkere Vernetzung zwischen Branchen wie der unseren und KMU die Digitalisierung beschleunigen könnte?

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