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Artem Egorov

Sustainable Supply Chain Management: Lieferketten nachhaltig gestalten

von Maren Jannen

Nachhaltigkeit wird immer stärker gefordert – von Kund*innen, Umweltorganisationen, aber auch durch strengere Regulierung, etwa anhand des neuen deutschen Lieferkettengesetzes. Neben Aktivitäten zum Umweltschutz geht es um das umfassendere ESG-Konzept, bestehend aus den Eckpunkten Environment, Social und Governance. Eine ganzheitliche Umsetzung der ESG-Kriterien entlang der Supply Chain mag für Unternehmen und ihre Zulieferer herausfordernd erscheinen, mit den richtigen Maßnahmen und Tools kann die nachhaltige Ausgestaltung aber erfolgreich gemeistert werden. Wir erläutern, worauf es bei Sustainable Supply Chain Management ankommt und wie Unternehmen langfristig davon profitieren.

  1. Nachhaltigkeit: Steigende Anforderungen an Unternehmen
  2. ESG: Diese Kriterien umfasst das Konzept
  3. ESG-Kriterien zielführend umsetzen
  4. Ansätze und digitale Lösungen für das Sustainable Supply Chain Management
  5. Sustainable Supply Chain Management als Chance

 

1. Nachhaltigkeit: Steigende Anforderungen an Unternehmen

Nicht nur das seit Januar 2023 geltende deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) drängt das Thema Sustainability zunehmend in den Fokus: Die EU-Finanzmarktaufsicht (FMA) plant dieses Jahr erhöhte Mindeststandards für die Bezeichnung „Nachhaltigkeit“ in Kraft treten zu lassen. Zudem gilt bereits seit 2022 eine weitere Offenlegungspflicht für Umweltziele mittels der EU-Taxonomie-Verordnung.

Nachhaltigkeit und insbesondere die ESG-Kriterien werden daher für Unternehmen ein immer dringlicheres Thema, zumal 2021 immerhin ein Viertel der globalen Emissionen durch die Industrie verursacht wurden. Doch wie können Unternehmen und ihre Zulieferer die ökonomischen Herausforderungen und ökologischen Ansprüche meistern? Und was genau beinhalten die ESG-Ziele?

 

2. ESG: Diese Kriterien umfasst das Konzept

Die englische Abkürzung ESG steht für die drei Verantwortungsbereiche Environmental (Umwelt), Social (Soziales) und Governance (Unternehmensführung). Diese Eckpunkte bilden ein Rahmenwerk für Unternehmen, um langfristige Nachhaltigkeit und Verantwortlichkeit zu gewährleisten. Darin festgehaltene Ziele sollen nicht nur in der eigenen Organisation oder dem eigenen Unternehmen, sondern möglichst innerhalb der gesamten Wertschöpfungskette umgesetzt werden – im Zusammenspiel mit dem Lieferkettenschutzgesetz. Damit geht das ESG-Konzept über den ökologischen Aspekt hinaus:

  • Environmental: Hier stehen Umwelt- und Klimaschutz im Vordergrund. Neben einem verantwortungsvollen Umgang mit den natürlichen Ressourcen sowie einem umweltfreundlichen Energiemanagement geht es um nachhaltiges Gebäudemanagement, aber auch die gezielte Minimierung von Emissionen, beispielsweise durch kürzere Lieferwege.
  • Social: Unternehmen sollen verantwortlich und sozial handeln, also für die Achtung der Menschenwürde und gute Arbeitsbedingungen eintreten, sowie Mindeststandards für Sicherheit und Gesundheitsschutz umsetzen. Kinder- und Zwangsarbeit, aber auch die Zusammenarbeit mit diktatorischen und autoritären Regierungen sind per ESG-Konzept verboten.
  • Governance: Die Unternehmensführung soll klaren, ethischen Compliance-Richtlinien folgen und Chancengleichheit, Vielfalt, Transparenz und Offenheit ermöglichen sowie Korruption systematisch bekämpfen. Weiterhin wird Unternehmen der korrekten Umgang mit Steuern, die Unabhängigkeit von Kontrollorganen wie Aufsichtsräten und die Absage an wettbewerbswidrigen Praktiken auferlegt.

 

3. Wie können Unternehmen die ESG-Kriterien zielführend umsetzen?

Supply Chain Prozesse sind bedeutsam für das Erreichen der ESG-Ziele: Daher sollten Unternehmen in ihrem Bestreben nach mehr betrieblicher Nachhaltigkeit die eigene Lieferkette kritisch in den Blick nehmen und kontinuierlich auf Optimierungspotenzial überprüfen. Die rasant fortschreitende Digitalisierung innerhalb der Industrie bzw. die sogenannte Industrie 4.0 bietet hierfür innovative Maßnahmen und Lösungen. Eine von Accenture durchgeführte Studie belegte an Fallbeispielen, dass digitale Technologien entscheidend dazu beitragen können, die deutschen Klimaziele bis 2030 zu erreichen, da sie großen Einfluss auf das Netto-Einsparpotenzial der CO2e-Emissionen haben.

 

4. Sustainable Supply Chain Management: Ansätze und digitale Lösungen

Folgende ausgewählte Ansätze und digitale Lösungen können Logistikverantwortliche maßgeblich bei ihrem Sustainable Supply Chain Management und der nachhaltigen Ausgestaltung der Lieferkette unterstützen:

  • Frachtmanagement: Die Wahl des Transportmittels und die Länge der Transportwege sind für das Sustainable Supply Chain Management entscheidend. Verantwortliche sollten hinterfragen, in welchem Lieferkettenabschnitt welche Emissionen entstehen und wo sie am besten für die eigene Nachhaltigkeitsstrategie ansetzen. Vor allem lange oder interkontinentale Strecken per See- oder Luftfracht sorgen für einen Großteil der Scope-3-Emissionen. Eine kontinuierliche Analyse dieser Strecken durch Technologien wie softwaregestütztes Flotten- und Verkehrsmanagement oder Big-Data-Analytik verhilft dazu, Scope-3-Emissionen erfolgreich zu senken. Beispielsweise können eine höhere Auslastung der Container oder Fahrzeuge, ressourcenschonende Transportwege oder ein vermehrter Umstieg auf Bahn- und Binnenschifffahrtstransporte die Dekarbonisierung der Lieferkette unterstützen. Hierfür lassen sich ausgereifte Supply Chain Management-Plattformen optimal nutzen, um ESG-Nachhaltigkeitskriterien effizient umzusetzen.
  • Supply Chain Risk Management: Unternehmen sind per Lieferkettengesetz dazu verpflichtet, umfangreichen Sorgfaltspflichten gegenüber Menschen und Umwelt in ihrer Wertschöpfungskette nachzukommen. In diesem Kontext gilt es Risiken im eigenen Geschäftsfeld, aber auch bei Zuliefererbetrieben kontinuierlich zu beobachten und zu bewerten sowie entsprechende Maßnahmen zur Absicherung zu ergreifen. Risikoreiche Beschaffungsmärkte und Produktionsstandorte können im Rahmen der Risikoanalyse bzw. des Risk Mappings und Monitorings mit spezialisierter Software gemieden werden. Werden mit einem strategischen Supply Chain Risk Management sowie entsprechenden Tools sämtliche Prozesse und Beziehungen innerhalb der Lieferkette offen dargelegt und ein transparentes Data Sharing betrieben, können Risiken effizient minimiert werden, die vereinbarte ökologische oder soziale ESG-Grundsätze verletzen.
  • Strategische Lieferantenbewertung: Die Lieferantenauswahl kann erheblich zu mehr Nachhaltigkeit in der Lieferkette beitragen. Zulieferer werden nach bestimmten Kriterien ausgewählt, etwa anhand der Aufnahme von CO2-Tracking und einer Emissionssteuerung als feste Bedingung bei der Auswahl. Werden Lieferanten zudem mithilfe einer Zertifizierung nach ISO 9001 samt regelmäßiger Nachhaltigkeitsberichterstattungen bewertet, schaffen Unternehmen eine solide Basis für die Umsetzung des Lieferkettensorgfaltsgesetzes und der ESG-Kriterien. Das Ziel sollte eine strategische Lieferantenentwicklung sein, damit ökologische sowie ethisch-soziale Compliance-Richtlinien nachvollziehbar eingehalten und zukunftsfähig weiterentwickelt werden.
  • Diversifizierung der Supply Chain: Auch die systematische Optimierung der Beschaffungsstrategie durch die Diversifizierung der Lieferkette bietet ökologisches Potenzial. Ein intelligentes Lieferantenmanagement via SCM-Plattform unterstützt dabei, alle Stamm-, Fracht- und Bestandsdaten der Zulieferer zentral zu bündeln und zu analysieren. Im Hinblick auf Nachhaltigkeit kann Nearshoring bzw. -sourcing interessant sein. Werden geeignete Produzenten oder Zulieferer in der geografischen Nähe gefunden, sorgen kürzere Wege nicht nur für eine erhöhte Liefersicherheit, sondern auch für Einsparungen im Energieverbrauch.
  • Additive Fertigung: Ist die Rückverlagerung der Produktion in nähere Regionen nicht zielführend, können moderne Technologien wie die additive Fertigung eine Alternative sein. Mittels 3D-Druck werden vor Ort Produkte kosten- und ressourcenfreundlich hergestellt, da die Supply Chain stark verkürzt wird. Auch der Materialverbrauch wird minimiert – nur die notwendigen Mengen kommen zum Einsatz. Laut einer Bitkom-Studie setzte 2021 fast jedes zweite Unternehmen mit 100 oder mehr Beschäftigten 3D-Druck ein und konnte so den Einsatz von Rohstoffen und lange Transportwege auf ein Minimum beschränken.

 

5. Sustainable Supply Chain Management als Chance

Logistikverantwortliche sollten Sustainable Supply Chain Management vor allem als Chance und weniger als Kostenfaktor sehen – auch wenn der Weg zu mehr Nachhaltigkeit herausfordernd erscheinen mag. Eine nachhaltige Lieferkette mit einem technologiebasierten SCM stärkt die eigene Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit – gerade im Hinblick auf den steigenden Druck und die Erwartung von Kunden, Regulierungsbehörden und der Öffentlichkeit, dass Unternehmen ESG-Kriterien berücksichtigen und darüber berichten. Auch die Normen des Lieferkettengesetzes bieten die Gelegenheit, sich als nachhaltiges Unternehmen zu positionieren und dem allgemein wachsenden grünen Bewusstsein zu entsprechen.

Bei der Umsetzung kann externe Expertise Abhilfe schaffen: Logistikdienstleister wie Hermes International bieten spezialisierte SCM-Software und unterstützen bei der Auswertung vorhandener Daten, um treibende sowie hemmende Aspekte der Nachhaltigkeit zu identifizieren und die eigene Supply Chain mit einer individuellen Strategie fortlaufend an ESG-Vorgaben anzupassen.

Aus der verstärkten Datennutzung und neu gewonnenen Transparenz ergeben sich weitere Vorteile: Unternehmen sind imstande, verstecktes Kosten- und Optimierungspotenzial entlang der Lieferkette zugunsten von mehr Effizienz zu identifizieren sowie die eigene Resilienz zu erhöhen.

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