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Push- und Pull-Strategien im SCM: Hybridmodell als Erfolgsformel

von Maren Jannen

Die effektive Steuerung der Supply Chain ist ein zentrales Anliegen für alle Unternehmen, die sich in einer globalen Geschäftsumgebung bewegen. Push- und Pull-Strategien bilden das Rückgrat für die Verwaltung von Lieferketten und bestimmen maßgeblich, wie Unternehmen ihre Produkte herstellen, lagern und an Kunden liefern. Doch wie finden Verantwortliche die richtige Balance zwischen Angebot und Nachfrage, um Risiken zu vermeiden und dennoch flexibel zu bleiben? In unserem Blogbeitrag erfahren Sie, was die Push- und Pull-Strategien voneinander unterscheidet und warum immer mehr Unternehmen auf einen hybriden Ansatz setzen.

Push und Pull – die Vor- und Nachteile der beiden Ansätze

Die Wahl zwischen Push- und Pull-Strategien im Supply Chain Management ist für Unternehmen entscheidend, da sie einen direkten Einfluss darauf hat, wie Ressourcen, Produktion, Lagerhaltung und Lieferungen organisiert werden. Supply-Chain-Verantwortliche sind daher gut beraten, sich mit den unterschiedlichen Herangehensweisen der beiden Ansätze an die Steuerung von Lieferketten und die Erfüllung der Kundenbedürfnisse auseinanderzusetzen.

Die Push-Strategie: Verfolgen Unternehmen einen Push-basierten Ansatz, orientiert sich ihre Produktion oder Bestellung von Waren an Prognosen und internen Entscheidungen, bevor die tatsächliche Kundennachfrage vorliegt. In der Vorannahme, dass das Interesse am Produkt vorhanden sein wird, wird es zunächst in größeren Mengen auf Lager gelegt und dann aktiv in den Markt getragen. Die Vorteile dieser Strategie sind:

  • Die Produkte sind ständig verfügbar, sodass Kundennachfragen sofort bedient werden können.
  • Da größere Mengen bestellt werden, sinken die Herstellungskosten pro Einheit – Massenproduktionen sind in der Regel günstiger und werden oftmals von Produktionsstätten bevorzugt behandelt.
  • Der Lagerbestand und die Produktion sind relativ einfach zu steuern und zu planen, da sie auf Prognosen basieren.

Dem stehen einige Nachteile gegenüber, die Unternehmen bei der Einführung der Push-Strategie bedenken sollten:

  • Das Risiko von Überbeständen im Lager steigt. Sollte die Nachfrage sinken oder geringer ausfallen als erwartet, haben Unternehmen es schwer, die Bestände zu veräußern. Dies kann zu finanziellen Verlusten führen.
  • Auch die hohen Lagerkosten können zu einer Belastung werden: Hohe Produktbestände benötigen entsprechenden Platz, was sich auf die monatliche Miete auswirkt. Ebenso steigen die Kosten für Versichungen und Lagerhaltung.
  • Push-Systeme gelten als weniger flexibel: Unternehmen können Schwierigkeiten haben, sich schnell an unerwartete Nachfragesteigerungen oder -abfälle anzupassen.
  • Liegen Produkte lange im Lager, steigt das Risiko, dass sie veralten oder an Wert verlieren, bevor sie verkauft werden können.

Push-Strategien sind daher vor allem in den Situationen und Branchen sinnvoll, in denen eine gewisse Vorhersagbarkeit in Bezug auf die Nachfrage besteht. So ist beispielsweise in der Weihnachtszeit die Nachfrage nach bestimmten Produkten wie Geschenkverpackungen, festlicher oder winterlicher Kleidung relativ vorhersehbar und wahrscheinlich höher als sonst. Derart saisonale Schwankungen können mit dem Push-Modell aufgefangen werden: Unternehmen, die stark vom Vorweihnachtsgeschäft profitieren, produzieren oftmals weit im Voraus und halten die Waren auf Lager, um sicherzustellen, dass sie in den entsprechenden Wochen die gestiegene Nachfrage bedienen können.

Die Pull-Strategie: Im Unterschied zum Push-Ansatz werden die Produkte erst bestellt oder angefertigt, wenn eine Kundennachfrage vorliegt. Unternehmen implementieren dafür beispielsweise die Just-in-Time-Methode und reagieren damit unmittelbar auf die Situation des Marktes. Die Vorteile der Pull-Strategie sind unter anderem:

  • Überbestände im Lager und Verschwendung werden weitestgehend vermieden, da die Produkte erst nach Auftragserteilung beschafft werden.
  • Pull-Modelle sind flexibler als Push-Strategien, da sie von vornherein darauf ausgerichtet sind, unmittelbar auf die Nachfrageentwicklung zu reagieren. Somit stellen sie sich schneller auf steigende oder sinkende Marktanforderungen ein und verringern das Risiko verpasster Verkaufschancen.
  • Ressourcen werden effizient genutzt, da Produkte nur in der Menge hergestellt oder bestellt werden, die wirklich benötigt wird. Diese explizite Abstimmung auf die Nachfrage kann Kosten senken und Umweltauswirkungen verringern.

Doch es gibt auch bei der Pull-Strategie einige Nachteile, auf die Unternehmen achten sollten:

  • Ein leeres Lager spart zwar Kosten, erschwert jedoch auch kurzfristige Lieferungen. Trotz der Flexiblität der Pull-Strategie kann es bei plötzlich massiv ansteigenden Nachfragen zu Engpässen und demzufolge zu längeren Lieferzeiten und unzufriedenen Kunden kommen.
  • Durch geringere Bestellmengen liegen die Kosten pro Produkt meist höher als bei Massenchargen, wodurch weniger Skaleneffekte bestehen.
  • Damit die richtige Ware zur richtigen Zeit verfügbar ist, müssen Verantwortliche komplexe Lieferketten steuern, die jedoch nur eingeschränkt planbar sind.

Trends sind schnelllebig – um nicht nachgefragte Ware zu vermeiden, wird das Pull-Modell häufig in Bereichen wie der Modebranche oder Elektronikindustrie eingesetzt, in denen sich die Nachfrage schnell ändert oder mitunter schwer vorhersehbar ist. Gleiches gilt für die kundenspezifische Fertigung oder die Beschaffung von Baumaterialien: Hier wird ebenfalls oft erst nach Auftrag gehandelt.  

Push, Pull oder hybrides Modell?

Grundsätzlich gilt, die richtige Balance zwischen Effizienz und Reaktionsfähigkeit finden. Dafür setzen immer mehr Unternehmen auf eine Kombination von Push und Pull. Sie verfolgen mit einem solchen hybriden Modell das Ziel, das Beste beider Ansätze ihrer SCM-Strategie zu vereinen, mögliche Nachteile zu mindern und ihre Lieferkette insgesamt auf eine breitere Basis zu stellen. Das zahlt sich vor allem dann aus, wenn Unternehmen eine umfangreiche Produktpalette anbieten. Sie profitieren davon, flexibel auf unterschiedliche Marktbedingungen reagieren zu können: Standardisierte Ware mit stabiler Nachfrage wird weiterhin mit der Push-Variante angeboten, während individualisierte oder trendgetriebene Güter nach dem Pull-Modell produziert werden.

Eine hybride Lieferkette kann sich zudem positiv auf das Risikomanagement auswirken, indem Engpässe oder finanzielle Verluste reduziert werden. Wenn unerwartete Nachfragesteigerungen auftreten, greift die Pull-Strategie, während die Push-Elemente stets eine Grundversorgung aufrechterhalten. Auch saisonale Schwankungen können mit der Kombination beider Ansätze aufgefangen werden: In Peakzeiten verwenden Unternehmen die Push-Strategie, in der Nebensaison steigen sie nahtlos auf Pull um. Nicht zuletzt hat diese Flexibilität auch einen Effekt auf die Erfüllung unterschiedlicher Kundenbedürfnisse. Unternehmen können sowohl die Kunden bedienen, die auf schnelle Lieferungen angewiesen sind, als auch diejenigen, die kostengünstige Produkte bevorzugen.

Die Entscheidung für eine Hybridstrategie sowie ihre Umsetzung im Supply Chain Management erfordert eine sorgfältige Planung, präzise Koordination und detaillierte Analysen über die individuellen Produkte, Zielmärkte und Kundenanforderungen. Dafür müssen Unternehmen ihre Lieferkette kontinuierlich überwachen und an veränderte Bedingungen anpassen.

Push- und Pull-Elemente mit digitalen Lösungen integrieren

Die Digitalisierung hat die Fähigkeit von Unternehmen zur individuellen Anpassung und Integration von Push- und Pull-Ansätzen in ihre Supply Chain verbessert. Fortschrittliche Technologien und Analysewerkzeuge spielen dabei eine entscheidende Rolle und heben das SCM auf ein neues Level. ERP-Systeme bieten beispielsweise eine umfassende Plattform, die die effektive Zusammenführung und Koordination von verschiedenen Geschäftsprozessen ermöglicht. Mit Advanced Analytics und Big Data wiederum werden präzise Vorhersagen zu Nachfrageentwicklungen zur Verfügung gestellt.

Das Internet of Things (IoT) liefert kontinuierlich Echtzeitdaten zur Überwachung von Produktionsanlagen, Lagerbeständen und Transporten, während Cloud Computing eine flexible Zusammenarbeit und ständigen Zugriff auf die relevanten Informationen ermöglicht. Die Blockchain kann eingesetzt werden, um die Transparenz und Sicherheit entlang der Lieferkette zu erhöhen. KI und Maschinelles Lernen unterstützen die Verarbeitung und Auswertung großer Datenmengen – die Analyse-Ergebnisse bieten eine fundierte Grundlage für Entscheidungsfindungen. CPFR-Technologien (Collaborative Planning, Forecasting and Replenishment) erleichtern die Zusammenarbeit mit Lieferkettenpartnern und optimieren so die Steuerung der Supply Chain.

Fazit: Synergien nutzen – Push und Pull für erfolgreiche Lieferketten

Push und Pull sind zwei grundlegende Ansätze im SCM, die sowohl Vor- als auch Nachteile mit sich bringen. Die Wahl zwischen ihnen hängt von einer Vielzahl an Faktoren ab – Unternehmen entscheiden sich daher zunehmend für ein hybrides Modell. Die Kombination der beiden Strategien erfordert jedoch eine ganzheitliche Herangehensweise, bei der innovative Technologien und Prozesse nahtlos miteinander verknüpft werden müssen. Der Einsatz lohnt sich: In der heutigen globalen, dynamischen Geschäftswelt sind Push und Pull im SCM unverzichtbare Instrumente, um eine wettbewerbsfähige Lieferkette aufzubauen und auch langfristig zu erhalten.

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