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Scope 3 – die Integration von Umweltaspekten in die SCM-Strategie

Nachhaltigkeit

von Maren Jannen

Angesichts steigender gesetzlicher Anforderungen, Sanktionsregelungen und einem gestiegenem öffentlichen Interesse legen Unternehmen den Fokus ihrer strategischen Ausrichtung zunehmend auch auf das Thema Nachhaltigkeit. Im Zuge des Lieferkettengesetzes oder der neuen EU-Richtlinie CSRD geht es nicht mehr nur allein um die direkten Umweltauswirkungen eines Unternehmens, sondern auch um Scope 3, also die indirekten Emissionen entlang der Supply Chain. Wollen Verantwortliche ein Netto-Null-Ziel erreichen, müssen ihre Bemühungen, Emissionen zu senken, vor allem auch Scope 3 gelten. Wir erklären, wie Umweltaspekte in die SCM-Strategie integriert werden können, um die Dekarbonisierung des gesamten Wertschöpfungsprozesses voranzutreiben.

Scope-Emissionen – die drei Geltungsbereiche für die Treibhausbilanz

Grundsätzlich werden Scope-Emissionen in drei verschiedene Kategorien unterteilt, die es Unternehmen erleichtern sollen, ihre Umweltauswirkungen besser zu identifizieren und Strategien für die Verbesserung ihrer CO2-Billanz in den verschiedenen Bereichen zu entwickeln:

  • Scope 1 sind die direkten Treibhausgase, die von einem Unternehmen verursacht werden. Emissionsquellen sind beispielsweise firmeneigene Fahrzeuge, Betriebsanlagen oder Lagerhäuser.
  • Scope 2 beinhaltet indirekte Emissionen, die durch die Erzeugung von gekaufter Energie entstehen. Wenn Unternehmen für ihre Büros oder Lagerhäuser Strom beziehen, für dessen Erzeugung möglicherweise fossile Brennstoffe verwendet wurden, dann fallen diese Emissionen unter Scope 2.
  • Scope 3 umfasst alle Emissionen der vor- und nachgelagerten Lieferkettenaktivitäten eines Unternehmens. Diese werden nicht vom Unternehmen selbst erzeugt, stehen aber mit dessen Geschäftstätigkeiten in Verbindung. Beispiele dafür sind der Transport von Vor- oder Endprodukten oder auch die Entsorgung von Waren.

Die Reduzierung des ökologischen Fußabdrucks kann einem Unternehmen nur dann gelingen, wenn es in seine Nachhaltigkeitsbestrebungen nicht nur das eigene Geschäftsfeld, sondern die gesamte Lieferkette einbezieht. Bei der Erstellung einer Treibhausgasbilanz ist zwar die Erfassung von Scope-1- und Scope-2-Emissionen zu priorisieren. In Anbetracht der Anforderungen der Corporate Sustainabiity Reporting Directive (CSRD) und der Notwendigkeit, fundierte Klimaziele zu setzen, ist jedoch auch die Bilanzierung von Scope 3 inzwischen unerlässlich geworden.

Die Integration ins SCM – CO2-Emissionen aufdecken und reduzieren

Für eine umfassende Kontrolle der Scope-3-Emissionen entlang der Lieferkette ist eine methodisch fundierte CO2-Verfolgung von entscheidender Bedeutung. Um verlässliche Ergebnisse zu erzielen, bedarf es einer höchstmöglichen Transparenz aller Prozesse sowie der Anwendung einer zertifizierten Berechnungsmethodik. Hierbei unterstützt ein strategisches Supply Chain Management (SCM): Nach der eingehenden Analyse jedes einzelnen Lieferkettenabschnitts lässt sich geeigneter Maßnahmenkatalog zur Reduzierung von CO2-Emissionen erstellen. Im Hinblick auf Scope 3 können beispielsweise folgende Bereiche optimiert und angepasst werden:

  • Lieferantenbewertung, -auswahl und -bindung: Ein wichtiger Schlüssel zur Verbesserung der Scope-3-Emissionen liegt in der Auswahl von und der Zusammenarbeit mit den richtigen Lieferanten. Mithilfe ihres SCM können Unternehmen strenge Umweltkriterien in ihre Bewertungen  integrieren und Lieferanten zur Implementierung nachhaltiger Praktiken motivieren. Die Auswahl und Bindung von Lieferanten mit geringen Emissionsprofilen und umweltfreundlichen Transportmöglichkeiten können erheblich zur Emissionsreduktion entlang der Wertschöpfungskette beitragen.
  • Logistikoptimierung: Mit Hilfe einer SCM-Plattform lässt sich die Auswahl der Verkehrsträger und Routen so optimieren, dass sie den Kriterien der Nachhaltigkeit entsprechend gesteuert werden kann. Dies umfasst den Einsatz von umweltfreundlichen Flotten, alternativen Kraftstoffen sowie die Umstellung auf emissionsarme Transportmöglichkeiten. Haben die Verantwortlichen Einblick in die CO2-Bilanz der einzelnen Logistikbereiche, können sie gezielt Einfluss nehmen, an welchen Stellen nachgebessert werden muss.
  • Kreislaufwirtschaft: Ein nachhaltiges SCM unterstützt dabei, die Infrastruktur für eine Circular Economy aufzubauen und zu betreiben. Dazu zählen etwa die Beschaffung und das Lieferantenmanagement, der Aufbau neuer Netzwerke, Distribution und Logistik sowie Entsorgung, Recycling, Kollaboration und Transparenz. Lieferanten, Hersteller, Transport- und Logistikdienstleister formen eine Art Ökosystem mit verschiedenen Aufgaben und Angeboten, um den Lebenszyklus eines Produktes zu verlängern und folglich Ressourcen, Abfall und CO2-Emissionen zu sparen. Das SCM schafft die nötige Plattform, um das gemeinsame Planen, Handeln und Agieren in Einklang zu bringen, zu überwachen und zu optimieren.
  • Transparenz und Rückverfolgbarkeit: Digitale Technologien wie Blockchain, IoT-Sensoren oder SCM-Software unterstützen dabei, die Rückverfolgbarkeit und Sichtbarkeit zu gewährleisten. Die Systeme bieten eine datengesteuerte Grundlage, die es ermöglicht, den Fluss von Rohstoffen, Materialien und Produkten von der Beschaffung bis zur Auslieferung zu dokumentieren. Sie erleichtern die Identifzierung von Qualitätsproblemen und Umweltauswirkungen entlang der gesamten Lieferkette und liefern die notwendigen Informationen über Scope-3-Emissionen, um Maßnahmen für mehr Nachhaltigkeit zu ergreifen. Für eine tiefgreifende Supply Chain Visibility muss jedoch ein hoher Kooperationsgrad zwischen den Akteuren einer Lieferkette aufgebaut werden – einmal mehr zeigt sich die Bedeutung der strategischen Lieferantenentwicklung.
  • Reduktion und Kompensation von Emissionen: Unternehmen können in ihrer SCM-Strategie Emissionsreduktionsziele verankern, die es zu erreichen gilt, und die mithilfe von spezieller Software ständig überwacht und analysiert werden. Weichen Ergebnisse signifikant von den Zielen ab, erhalten die Verantwortlichen Warnungen über das System, um frühzeitig gegensteuern zu können. Darüber hinaus können sie Programme zur Kompensation von CO2-Ausstoß unterstützen, um einen Netto-Null-Effekt zu erziehlen. Weitere Informationen dazu gibt es hier: CO2-Emissionen reduzieren – das 3-Phasen-Modell für mehr Nachhaltigkeit

Digitaler Zwilling hilft bei der Prozessoptimierung

Für die Reduktion von Scope 3 ist die konsequente Weiterentwicklung der digitalen Supply Chain mit dem Ziel des kollaborativen Emissions-Trackings unerlässlich. Hilfreich ist dabei die Implementierung eines „digitalen Zwillings“ der physischen Lieferkette, und zwar von der Rohstoffgewinnung bis zur Entsorgung. Durch die Analyse von End-to-End-Daten können energie- und emissionsarme Liefermodelle berechnet und entwickelt werden, die den ökologischen Fußabdruck reduzieren, ohne versuchsweise in die laufenden Prozesse einzugreifen zu müssen.

Wie würde das in der Praxis aussehen? Angenommen, ein Einzelhandelsunternehmen möchte die Umweltauswirkungen seiner gesamten Supply Chain verringern. Durch die Schaffung eines digitalen Zwillings werden nicht nur die internen Abläufe (Scope 1 und Scope 2) abgebildet, sondern auch die externen Aktivitäten (Scope 3) berücksichtigt: Daten aus sämtlichen Phasen der Lieferkette können auf diese Weise erfasst und analysiert werden. Dazu zählen die Beschaffung von Produkten von Lieferanten, der Transport zu Distributionszentren, die Lagerhaltung, Vertrieb und sogar die Entsorgung von Verpackungsmaterialien. Durch die präzise Überwachung und Auswertung aller Informationen können ineffiziente Transportrouten identifiziert, Lieferanten mit geringeren Emissionsprofilen bevorzugt und nachhaltigere Verpackungslösungen gesucht werden.

Basierend auf den Ergebnissen des digitalen Zwillings ist somit nicht nur eine präzise Steuerung der Logistikprozesse über das SCM möglich, sondern auch die Optimierung von Produktion, Ressourcennutzung und Transport entlang der gesamten Wertschöpfungskette.

Wie die Ergebnisse des 19. Hermes-Barometers zeigen, stehen viele Unternehmen jedoch noch vor der Aufgabe, die Prozesse ihrer Lieferkette transparent abzubilden: Lediglich jeder fünfte befragte Logistik-Verantwortliche (20 Prozent) stimmt zu, bereits über eine digitale Echtzeit-Supply-Chain zu verfügen.

Fazit: Für die Reduktion von Scope 3 müssen Lieferketten neu gedacht werden

Die Integration von Umweltaspekten in die SCM-Strategie erfordert eine langfristige Verpflichtung und enge Zusammenarbeit: Für die Reduktion von Scope 3 müssen die verschiedenen Akteure entlang der Lieferkette kooperieren – schließlich geht es nicht nur um die unternehmenseigenen Umweltauswirkungen, sondern auch um die vor- und nachgelagerten Prozesse in der Wertschöpfungskette. Ein strategisches SCM bietet dabei mithilfe digitaler Tools die technologische Grundlage, um die komplexe Aufgabe des gemeinsamen Planens und Agierens zu überwachen und zu optimieren. Lieferketten müssen neu gedacht werden, doch der Aufwand lohnt sich: Die ganzheitliche Herangehensweise reduziert nicht nur die ökologischen Auswirkungen, sondern verbessert auch das Unternehmensimage in Bezug auf Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung – und stärkt so langfristig die Wettbewerbsfähigkeit.

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