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CO2-Emissionen reduzieren: Das 3-Phasen-Modell für mehr Nachhaltigkeit

von Maren Jannen

Lieferkettengesetze, Compliance-Anforderungen, die neue EU-Richtlinie CSRD und ein verändertes Konsumverhalten – angesichts eines neuen Bewusstseins für Nachhaltigkeit und vor dem Hintergrund gesetzlicher Bestimmungen wird ökologisch verantwortungsvolles Handeln zunehmend zu einem strategischen Unternehmensziel. Ein wichtiger Faktor dabei ist die Senkung des CO2-Ausstoßes: Doch wie hoch sind eigentlich die Emissionen, die bei dem Transport und der Lieferung von Waren entstehen? Wo liegen die Optimierungspotentiale, um die Transporte effizienter und umweltfreundlicher zu gestalten? Tobias Ruscheweyh, Head of Branch Group Service und Lead Sustainability & Risk Management bei Hermes International, erklärt in einem Interview, wie Unternehmen mit dem 3-Phasen-Modell von Hermes International, einem Geschäftsbereich der Hermes Germany, ihre Schadstoffemissionen beim Warenverkehr reduzieren und kompensieren können.

Herr Ruscheweyh, Hermes International hat das 3-Phasen-Modell für mehr Nachhaltigkeit in der Supply Chain entwickelt. Können Sie kurz erklären, was dahintersteckt und was die Hauptziele sind?

Tobias Ruscheweyh:  Das 3-Phasen-Modell setzt sich zusammen aus den aufeinander folgenden Schritten Transparenz, Steuerung und Kompensation. Das Hauptziel ist, in der Lieferkette eine Reduktion beziehungsweise Vermeidung der CO2-Emissionen zu erreichen. Wenn alle Steuerungsmittel zur Reduktion oder Vermeidung ausgeschöpft sind, bietet die Kompensation eine valide und effektive Möglichkeit, einen Ausgleich zu schaffen. In unserem Business Intelligence Tool wird der Ist-Zustand der CO2-Emissionen durch Analyse und Reporting übersichtlich visualisiert: So können Kund*innen direkt sehen, wie hoch ihr Schadstoffausstoß zu welcher Zeit ist. Hermes International begleitet seine Kund*innen dann bei der Auswertung der Daten und hilft, Bereiche mit Potenzial für eine nachhaltigere Ausgestaltung zu identifizieren und individuelle Strategien für die Reduktion der CO2-Emissionen zu entwickeln.

Im ersten Schritt geht es um Transparenz: Welche Daten haben Einfluss auf den CO2-Wert, und nach welcher Berechnungslogik werden die Emissionen ermittelt?

Tobias Ruscheweyh: In unserem BI-Tool wird die CO2-Analyse anhand von Key Facts ermittelt: Welche Transportart haben der Kund*innen gewählt (Sea, Air oder Rail), wie lang ist die Strecke, welches Volumen und Gewicht hat die Ware? Wir wenden dafür die Berechnungslogik der Clean Cargo Working Group (CCWG) an. Für den Seetransport sind beispielsweise die Anzahl der Container, die Distanz der Strecke und der CO2-Emmissions-Faktor relevant, um die CO2-Emissionen zu berechnen. Durch die detaillierte Auflistung der Daten in unserem System haben Kund*innen Einblick, wie ausgelastet die Container und Transporte waren, in welchem Abschnitt der Lieferkette welche Emissionen entstanden sind und wo die CO2-Treiber lagen. Perspektivisch planen wir zudem für die nahe Zukunft, die Transparenz der CO2-Daten auszuweiten: Für noch genauere Ergebnisse soll dann zum Beispiel nicht nur die Transportart, sondern das genaue Schiffsmodell mit seinem individuellen Verbrauch in die Berechnungen einfließen. Verfolgen Unternehmen eine Mehrspeditionenstrategie, ist es des Weiteren möglich, manuell die entsprechenden Fremddaten ins System einzufügen und auf diese Weise noch weitere Abschnitte der Lieferkette in die CO2-Analyse miteinzubeziehen. So kann in einem Tool Transparenz über den gesamten Transportweg erreicht werden, auch wenn verschiedene Dienstleister beteiligt sind. Darüber hinaus wird die zukünftige CO2-Emissionsberechnung auch weitere Faktoren beinhalten, die dann je nach Bedarf auf Basis TTW (Tank-To-Wheel) oder WTW (Well-To-Wheel) Ansatz die CO2-Emissionen abbilden.

tobias ruscheweyh


Tobias Ruscheweyh, Head of Branch Group Service und Lead Sustainability & Risk Management bei Hermes International

 

Was passiert in der Steuerungsphase?

Tobias Ruscheweyh: In dieser Phase analysieren wir die Daten aus dem ersten Schritt und ermitteln, wo Einspar- und Optimierungspotenziale vorhanden sind. Die Lösungen sind sehr individuell, da jede*r Kund*in andere Anforderungen an den Transport hat. Für die Reduktion von CO2 wird zunächst gemeinsam mit den Kund*innen ein Maßnahmenkatalog entwickelt. Über unsere SCM-Plattform ist eine intelligente Steuerung der Lieferkette möglich, um die bestmögliche Wahl von Verkehrsträgern und Transportstrecken treffen oder eine bessere Auslastung der Container erzielen zu können. Anschließend kann die aktive Neugestaltung der Prozesse beginnen, um das Optimierungspotenzial voll ausschöpfen zu können. Dabei sind manchmal auch Zwischenlösungen ein geeigneter Weg: Nehmen wir an, ein Unternehmen benötigt eine bestimmte Ware zügig und bevorzugte dafür bisher ausschließlich den Luftweg: Der optimale Weg kann dann sein, lediglich 20 Prozent der Ware als Luftfracht zu versenden und die übrigen 80 Prozent als Seefracht aufzugeben. Auf diese Weise lässt sich die erste Nachfrage bedienen, und gleichzeitig können die CO2-Emissionen verringert werden.

Für große Unternehmen mit einer eigenen Nachhaltigkeitsstrategie lohnt sich meist auch eine ganzheitliche Betrachtung aller CO2-Verursacher entlang der gesamten Lieferkette und die Entwicklung einer darauf ausgerichteten Strategie. Themen wie Near-Sourcing rücken dabei wieder zunehmend in den Fokus: Werden Beschaffung und Produktion in näher gelegene Regionen verlagert, verkürzen sich die Transportwege und der CO2-Ausstoß wird dadurch geringer.

Je mehr die Airlines und Seefracht-Carrier ihr nachhaltiges Angebot erweitern, desto mehr kann durch die Implementierung von CO2-Kennzahlen (KPI) perspektivisch auch eine proaktive Nachhaltigkeitssteuerung der Transporte durchgeführt werden.

Es lässt sich jedoch nicht alles durch die Steuerungsschritte einsparen. Mit welchen Kompensationsmaßnahmen können Unternehmen ihre Nachhaltigkeitsstrategie weiterentwickeln?

Tobias Ruscheweyh: Auf dem Markt existieren inzwischen mehrere zertifizierte Kompensationsanbieter, die unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt haben. Hermes International kooperiert mit verschiedenen Kompensationsanbietern, die nach dem Gold Standard zertifiziert sind, und unterstützt seine Kund*innen bei der Auswahl. Klimaschutzprojekte sparen nicht nur an CO2, sondern fördern auch nachhaltige Entwicklung durch Technologietransfer und Armutsbekämpfung. Dennoch hat grundsätzlich die Vermeidung von Treibhausgasemissionen Vorrang vor deren Kompensation.

Welche Herausforderungen ergeben sich bei der Reduktion der CO2-Emissionen, und was raten Sie Unternehmen, die ihre Lieferkette nachhaltiger gestalten wollen?

Tobias Ruscheweyh: Oft sind das erforderliche Umdenken und die Modifizierung der bisherigen Arbeitsprozesse eine Herausforderung für die Unternehmen. Um CO2 einzusparen, ist unter Umständen ein längerer Transportweg notwendig, der dazu führen kann, dass die Ware später bei Kund*innen eintrifft. Doch für eine nachhaltigere Lieferkette müssen Prioritäten neu gesetzt werden, denn kurzfristige Lösungen wird es nicht geben.

Auch die Einbeziehung von Fremddaten – zum Beispiel von Sublieferanten – für die CO2-Berechnung der gesamten Wertschöpfungskette ist aufwändig. Doch da bewegt sich viel: Hier können das Lieferkettengesetz und die neue EU-Richtlinie CSRD weitere Transparenz entlang der Supply Chain schaffen und den Unternehmen den Zugang zu den relevanten Daten erleichtern. Unser strategisches SCM unterstützt dabei den Transfer der notwendigen Informationen zwischen allen Beteiligten der Lieferkette und schafft die Grundvoraussetzung für valide und nachvollziehbare Berechnungen. Eine enge Beziehung zu den Lieferanten wird in dem Zusammenhang zum wesentlichen Faktor: Je vorausschauender und transparenter Unternehmen in ihren Prozessen sind, desto flexibler können sie gemeinsam mit ihren Lieferanten agieren und Maßnahmen umsetzen. Dies senkt langfristig nicht nur die CO2-Emissionen, sondern sorgt auch für mehr Resilienz entlang der Supply Chain.

Die CO2-Einsparung ist derzeit noch mit zum Teil hohen zusätzlichen Kosten verbunden, die Unternehmen nicht zwangsläufig bereit sind auszugeben. Dem entgegen stehen beispielsweise die Seefrachtraten, die Anfang letzten Jahres enorm hoch waren und sich aktuell auf einem sehr niedrigen Niveau bewegen. Diese Volatilität hat sich in dieser Ausprägung nicht in den Verbraucherpreisen gespiegelt, insofern denke ich, ist da noch Potenzial. Alternativ können Kompensationsoptionen, die im Regelfall wesentlich günstiger sind, temporär genutzt werden. Zudem steigt das Bewusstsein für Nachhaltigkeit und damit verbunden die Akzeptanz, dass dies eben auch Geld kostet. Im Transportsektor werden die Preise durch die CO2-Steuer sukzessive steigen. Diese Kosten werden dann ohnehin vom Endverbraucher getragen werden müssen.

Hermes International unterstützt seine Kund*innen bei der Entwicklung und Umsetzung einer zukunftsweisenden Nachhaltigkeitsstrategie. Wir möchten mit dem 3-Phasen-Modell die Bemühungen um Nachhaltigkeit in der Logistik auf eine möglichst breite Basis stellen und das Umdenken fördern: Um auf lange Sicht am Markt zu bestehen, müssen Unternehmen eine sinnvolle Balance zwischen ökonomischem Denken, Produktionssicherheit und Nachhaltigkeitszielen finden.

Herr Ruscheweyh, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Sie haben Fragen zur nachhaltigeren Ausgestaltung ihrer Lieferkette? Sie wollen aktiv werden und benötigen Beratung? Dann kommen Sie gerne direkt auf Tobias Ruscheweyh zu und senden ihm eine E-Mail unter: fragen@hermes-supply-chain-blog.com

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